Freüde herrscht!
2025 feiert das Ensemble Tritonus sein 40-jähriges Bestehen und überrascht
die Zuhörenden mit einem neuen Programm:
«UNE und OBE» (und auch «dezwüsche»).
Hier beschäftigt sich Tritonus mit Volksmusik der unteren und oberen Gesellschaftsschichten in der Schweiz am Ende des 18. Jahrhunderts bis etwa 1820.
In bewährter Tritonus-Tradition werden zahlreiche unveröffentlichte oder schwer zugängliche Musikstücke und Lieder zu hören sein – eigene Bearbeitungen und Kompositionen schaffen den Bezug zu unserer Zeit.
Die Musik widerspiegelt in ohrenfälliger Weise die Lebenswelten der Menschen in der vor- und nachrevolutionären Zeit, die unterschiedlicher nicht sein konnten.
So wechseln sich etwa wohlklingende Hausmusik und «höfisch» anmutende Tanzmusik aus einer Berner Handschrift von 1791 ab mit tieftraurigen Anti-Kriegsliedern aus der Napoleonzeit, die von Heimweh, Tod und Desertation berichten.
Andererseits beschwören «Schäferidyllen» und -Lieder eine heile Welt. Diese Musik, die im feudalen barocken Frankreich ihren Anfang nahm, fand in Jean-Jacques Rousseau einen prominenten Vertreter. Heute würde er wohl als «Influencer» bezeichnet, der in der Schweiz viele «Follower» hatte.
Einige Lieder jener Zeit erzählen vom Schicksal der Frauen, die zum Opfer der Doppelmoral und patriarchalen Strukturen wurden oder von der emanzipatorischen Kraft der Aufklärung, die auch in der Schweiz zunehmend an Boden gewann.
Der damals schon europaweit bekannte Pädagoge Heinrich Pestalozzi kritisierte beispielsweise offen die damaligen gesellschaftlichen Herrschaftsstrukturen und setzte sich für junge Frauen mit unehelich gezeugten Kindern ein, die derart in die Enge getrieben zu Kindsmörderinnen wurden.
Auch die Hungerjahre 1816/17 und der Bergsturz in Goldau von 1806 werden in zeitgenössischen Volksliedern hautnah geschildert. Diese Ereignisse dürften den Zuhörerenden in unheimlicher Weise sehr aktuell vorkommen.
Die Naturkatastrophen stehen als Metapher für die grossen gesellschaftlichen Umwälzungen, welche im Übergang um 1800 das Zerfallen der alten Ordnung einläuteten und das UNTEN und OBEN zunehmend durcheinander wirbelten.
Eine spannende musikalische Reise, die das heimisch Vertraute wieder fremd klingen lässt!
Aus dem Programm (Änderungen vorbehalten):
Aus dem handschriftlichen Notenbüchlein von Samuel Joneli, Boltigen BE,
1791:
«Allemande», «Baur Leyer», «Contredanse», «Menuette» sowie eine «Monferine mit Contredanse» (Contredanse von Andrea Brunner).
«Schäferidyllen» mit dem Lied «La Bergère (Turlututu)», zwei «Valses» aus kürzlich entdeckten alten Musikhandschriften aus der Romandie (Bex, VD) sowie einer «Pastorelle» aus dem Singspiel «Le devin du village» von J. J. Rousseau, 1752
«Rans des vaches» (Kuhreihen), überliefert von J. J. Rousseau in seinem «Dictionnaire de Musique» von 1764
«Die lang verwünschte Stunde», ein Anti-Kriegslied aus der Napoleonzeit, überliefert aus Rüschegg BE und Wila ZH (1840).
«Todtenn Dantz» aus der Basler Lautentabulatur von Emanuel Wurstisen 1591
Lieder über
Frauenschicksale, u. a. aus einem handschriftlichen Liederbuch von 1794 aus Brienzwiler BE
Lieder von der Hungersnot im Toggenburg 1817, vom Bergsturz in Goldau 1806 mit einem von Andreas Cincera neu geschriebenen «Berggeister-Tanz»
«Z’underst und z’oberst» (Ratzliedli und Gsätzli)
und anderes mehr
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